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Einkauf von Lebensmitteln

Einkauf von Lebensmitteln

Der Grossteil der Madagassen lebt von Tag zu Tag. Man strengt sich an, etwas zu verdienen, damit man etwas kaufen kann und jeden Abend etwas zu Essen mit nach Hause bringt.

Wir haben in Madagaskar drei Jahreszeiten: Trocken-, Regen- und Winterzeit.

Während und kurz nach der Regenzeit ist es die richtige Zeit, um Reis, Gemüse, etc. zu pflanzen, damit man dann in der Winterzeit ernten kann. So nennt man die Erntezeit „Fararano“ oder «Ende des Wassers». Das heisst, im Winter hat man genug zu essen. Die Trockenzeit nennt man „Maintany“. Ein Teil der Bauern versucht, auch die Zwischensaison zum Anbau von Gemüse oder Reis zu nutzen. Daraus ergibt sich jedoch eine sehr geringe Ernte, die nicht ausreichend ist, um durch die Regenzeit zu kommen. Die Regenzeit, genannt „Maitsoahitra» oder „grünes Gras“ ist die schwierigste Zeit in Madagaskar. Die Landschaft ist zwar sehr schön, aber das kann man leider nicht essen und es gibt immer Regen und auch Überflutungen, so dass zum Teil die Anpflanzungen geschädigt oder gar zerstört werden.

Das Leben der Madagassen ist also von diesem Zyklus bestimmt.
Der grösste Anteil des Reises in Madagaskar stammt aus dem Speicherort Ambatondrazaka, im Nordosten Madagaskars oder aus dem Norden von Antananarivo. Das Gemüse und die Früchte stammen aus der Umgebung von Antsirabe sowie aus dem Süden von Antananarivo und aus dem Westen der Hauptstadt, in Richtung Arivonimamo und Ampefy.

In Antananarivo produziert man auch etwas auf den sogenannten «Betsimitatatra» (breit aber ohne Entwässerung) und der weiteren Umgebung, aber es reicht nicht für die Versorgung der Stadtbewohner.

Die Preise für die landwirtschaftlichen Produkte hängen von deren Herkunft und von den Jahreszeiten ab.

In Antananarivo haben die Leute unterschiedliche Lebensstandards. Die Möglichkeit, wo man einkaufen kann, hängt also davon ab, wie die Leute leben und was sie haben.

So kann man wohl drei Kategorien unterscheiden:

Zum einen gibt es die armen Leute. Die meisten von ihnen schauen am Morgen, was sie am Tag essen könnten. Sie machen also jeden Tag einen Einkauf und planen schon dabei, was sie verdienen müssen, um den nächsten Einkauf zahlen zu können. Sie kaufen also bei einer Epicerie ein und machen eine Art mündlichen Vertrag, in dem die Käufer versprechen, ihren Kredit zu bezahlen. Anschliessend wird in einem Notizbuch vermerkt, was sie kaufen und wie viel sie bezahlen müssen.

Falls ein Käufer nicht genug Geld hat, um seine Schulden zu bezahlen, wird er bestraft. Als Strafe bekommt er für den nächsten Tag keinen Kredit mehr von dem Verkäufer. Das ist schon eine bittere Erfahrung für ihn.

Die Selbständigen gehören auch dazu. Wenn man zum Beispiel Tischler, Metallarbeiter (die Fenster oder Verandas bauen) oder ähnliches ist, ist der Verdienst nicht stabil. Manchmal verdient man viel, manchmal gibt es keine Arbeit, besonders während der Regenzeit (zwischen November und April). Ihr Einkauf gestaltet sich also je nach Möglichkeit durch das Einkommen.

Zum Zweiten wären da die «normalen» Leute, die ein «normales Leben» haben – wohl so etwas wie der «Mittelstand». Das heisst, diese Leute verdienen etwas Geld wöchentlich, halbmonatlich oder monatlich. Sie machen Grosseinkauf auf dem Markt, immer dann, wenn sie ihr Gehalt, jeden Monat oder jede Woche, bekommen. Während dieser Zeit kümmert man sich zuerst um das Wichtigste: Man kauft einen Sack Reis von 25 kg oder 50 kg, der zwischen 60 000 und 120 000 Ariary kostet (ca. 13-26 EURO). Dann ist Schulgeld für die Kinder zu entrichten (mindestens 45 000 Ariary pro Monat/pro Kind = ca. 10 EURO), ebenso Miete (mindestens 100 000 Ariary (ca. 21 EURO) für ein einfaches Zimmer mit einer kleinen Küche und einer Gemeinschaftstoilette) und alle Lebensmittel und Pflegemittel, die man aufbewahren kann, wie Getreide, Öl, Salz, Seife, etc. Der Rest des Geldes, falls es noch einen gibt, ist für Kleider und zum Beispiel für die Gebühr für die Fahrt mit dem Taxi Brousse. Für alle Ausgaben, die darüber hinaus gehen, muss man zu Anfang des Schuljahres und der Regenzeit noch Gelder bei Verwandten oder der Kreditbank leihen.

In den hier beschriebenen Haushalten machen die Familienmitglieder ihren Einkauf selbst, entweder Vater oder Mutter.

Und schliesslich gibt es die reichen Leute, die entweder ihre eigene Firma haben, Politiker in der Regierung sind, Ranglistenoffiziere beim Militär oder ganz einfach Business-Leute. Sie kaufen ein, wenn sie Lust dazu haben. Den dringenden Einkauf macht die «Dame des Hauses» und eine Haushälterin macht den Rest.

Die Madagassen sagen immer: „Ny kibo tsy mba lamosina, ny tsinay tsy mba vatsy“, was auf Deutsch so viel bedeutet, wie «Der Bauch ist kein Rücken, der Magen ist kein Ort zum Speichern“.

Man sieht, beim Einkaufen hat jede Familie ihre eigene, kleine Politik, mit dem ihr zur Verfügung stehenden Geld umzugehen.

Oktober 2020, geschrieben von Michaël, Trekkingführer PRIORI und Mitarbeiter im Büro PRIORI in Antananarivo